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schichte überhaupt. Er sucht sie, sie ziert sich, er kriegt sie schließlich doch (und umgekehrt).
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Oder: sie lieben sich, feindliche Mächte (Familienfehden, soziale Distanz) und Schick-
salsschläge trennen sie, zum Schluß finden sie sich wieder (möglicherweise erst im Tod, siehe
»Romeo und Julia«). Eine dritte beliebte Variante zeigt, wie aus zwei Freunden Feinde
werden (Lewis Wallace: »Ben Hur«) oder aus zwei Feinden Freunde. Dies gilt natürlich auch
für Familienmitglieder.
Die Dreiecksgeschichte
Die Freund-wird-zu-Feind-Variante ist häufig verbunden mit dem dritten Modell, der
Dreiecksgeschichte, die fast ebenso beliebt ist wie die Geschichte >A liebt B
Beziehungsmuster verschoben: Eine verheiratete Frau nimmt sich einen Liebhaber, ein Mann
verläßt seine Frau wegen einer Jüngeren. Die Folge: Eifersucht, Haß, Konflikte bis hin zum
Mord. Die Ordnung der Gefühle und der sozialen Normen ist gestört und muß
wiederhergestellt werden.
Da das Beziehungsmuster zwischen verschiedenen Hauptfiguren (das Skelett der Geschichte)
dargestellt werden muß (damit die Geschichte Fleisch ansetzt), ist gut zu überdenken, ob man
einen Roman mit mehr als drei zentralen Figuren anlegen will. Eine mag zu wenig sein, zwei
eignen sich für kürzere Geschichten und für hochdramatische Verwicklungen, drei bieten die
Möglichkeit für jede Menge Konflikte. Eine Person impliziert kein Beziehungsmuster, zwei
Personen implizieren zwei Beziehungen (A zu B und B zu A), drei Personen erlauben schon
komplexere Muster, nämlich sechs Beziehungen. Bei vier Personen sind es zwölf, bei fünf
Personen schließlich zwanzig! Je mehr Personen miteinander agieren, desto komplexer wird
das Gefüge, und Sie verlieren nicht nur leicht die Übersicht, sondern vernachlässigen
womöglich wichtige Aspekte der Interaktionsmuster. Es ist in diesem Fall sinnvoll, die
Figuren nicht einfach zu vermischen, sondern Hierarchien aufzustellen oder sie zu gruppieren,
also nebeneinander zu stellen oder nacheinander auftreten zu lassen. Wenn Sie an die vielfi-
gurigen Romane von Tolstoi denken, an »Anna Karenina« zum Beispiel, sehen Sie, wie der
Lebens- und Handlungskreis von Anna und derjenige von Lewin sich zwar berühren und
überschneiden, doch nicht ineinanderfließen.
Überlegen Sie sich also gut, wieviel innere Dynamik und äußere Entwicklungsmöglichkeiten
in den Beziehungen Ihrer Figuren stecken. Entwerfen und skizzieren Sie diese Möglichkeiten,
auch wenn nicht alle im Text ausgeschrieben werden.
Geschichten, wie das Leben sie schreibt und Hollywood sie vorschreibt
Geschichte und Plot
Wie ich schon betonte, gehören die Aspekte >CharakterGeschichte
untrennbar zusammen. Ohne Charaktere kann keine Geschichte erzählt werden, und ohne eine
Geschichte bleiben Charaktere stumme Denkmäler. Sobald sie aber Leben gewinnen, sich zu
bewegen beginnen und aufeinander stoßen, ergibt sich eine Reihe von Ereignissen, eine
Handlung. Die Handlung allein - ohne überzeugende Linie, kaum in sich strukturiert - macht
noch keine Geschichte. Diese fügt sich erst dann zusammen (und wird ein Plot), wenn die
Ereignisse aufeinander bezogen werden und voneinander abhängen. E. M. Forster hat den
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Unterschied zwischen bloßer Handlung und Plot durch ein einfaches Beispiel erläutert: Der
Satz »Der König starb, und dann starb die Königin«, verweist auf eine bloße Reihenfolge von
Ereignissen und damit auf eine erzählbare Handlung. Zu einem Plot, einer strukturierten
Geschichte, wird sie erst, wenn sie lautet: »Der König starb, und dann starb die Königin aus
Kummer.« Die beiden Handlungselemente sind nun durch Ursache und Wirkung bzw. durch
Grund und Folge aufeinander bezogen. König und Königin sind aneinander gebunden, ja sie
>existieren
Man muß sich diesen so selbstverständlich klingenden Zusammenhang immer vor Augen
führen, weil er nicht nur die Makrostruktur eines literarischen Werks betrifft, sondern bis in
seine MikroStruktur Gültigkeit hat. In einem Werk darf es im Prinzip - kein Element geben,
das nicht in einem Geflecht innerer Bezüge einen Stellenwert hat, keine blinden Motive, keine
losen Enden und kein unnötiges Wort.
Nicht alle Bezüge sind allerdings offensichtlich. Viele sind zu komplex, als daß sie leicht
durchschaut werden könnten, viele sind nur in einen assoziativen Subtext eingeschrieben und
bleiben, für den Autor wie seinen Leser, im >Unbewußten
den ersten Blick durchschaubar ist und keine Geheimnisse behält, wirkt es konstruiert und tot.
Zu bedenken ist auch, daß jedes Werk sich erst im Rezipienten realisiert. Er muß die
sprachlichen Zeichen entziffern, das heißt: ihnen eine sinnvolle Bedeutung unterlegen. Dies
darf man sich nicht wie eine mechanische Übersetzung vorstellen. Ein Kunstwerk enthält
immer Leerstellen, weil es sonst unendlich lang sein müßte, und diese Leerstellen muß der
Leser nach Vorgabe der nach bestimmten Strukturmustern arrangierten Zeichen selber füllen.
Ich möchte diese Gedanken an Forsters Beispiel erläutern. Stünde in einem Text: »Der König
starb, und dann starb die Königin«, würden wir als Leser nach Gründen für ihren Tod suchen:
Sie könnte aus Kummer gestorben sein oder, wie womöglich auch ihr Mann, von einem
Rivalen vergiftet. Beide hatten vielleicht einen Unfall in ihrer Kutsche. All dies steht nicht im
Text, doch wir brauchen Gründe, Motive, nachvollziehbare Zusammenhänge, eine
verständliche Ordnung der Ereignisse.
Hieße die Textstelle nun: »Als die Königin den toten König sah, brach sie zusammen. Man
brachte sie in ihre Gemächer. Sie verweigerte Wasser und Brot. Es dauerte nicht lange, da
hauchte sie ihr Leben aus«, wissen wir zwar noch immer nicht genau, ob die Königin aus
Kummer über den Tod des Königs gestorben ist, aber alle zusätzlichen Informationen, die uns
der Text vermittelt, lassen darauf schließen. Man könnte ihn folgendermaßen lesen: »Als die
Königin den toten König sah, brach sie VOR SCHMERZ zusammen. Man brachte sie in ihre
Gemächer. IHR KUMMER WAR so GROSS, DASS SIE NICHT MEHR WEITERLEBEN WOLLTE.
DAHER verweigerte sie Wasser und Brot. BALD STARB SIE AN GEBROCHENEM HERZEN.«
Beim Lesen schließen wir also die offenen Stellen zwischen den Sätzen und übersetzen sie
gleichzeitig, und zwar nach einer Anleitung, die wir dem Gesamttext entnehmen, unserem li-
terarischen Vorwissen sowie unseren persönlichen Bedürfnissen, Gefühlen und Erfahrungen.
Der Text hat nicht alles ausgesprochen, was er hätte ausdrücken können, er hat uns Anstöße
zum Ausphantasieren gegeben. Genau hierin liegt einer der entscheidenden Kunstgriffe des
Schreibens.
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Der Konflikt:
Triebkraft einer dramatischen Geschichte
»Die innere Poesie des Lebens ist die Poesie
des kämpfenden Menschen.«
(Georg Lukács)
Ein guter Plot ist nicht nur durch eine Ursache-Wirkung-Relation gekennzeichnet. Seine
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